Montag, 22. Februar 2021

Welthungerhilfe warnt vor neuer Heuschreckenplage in Afrika

Da eine neue Generation der Schädlinge brüte und schlüpfe, sei in Ländern wie Äthiopien, Somalia und Kenia die nächste Ernte bedroht, erklärte die Hilfsorganisation am Dienstag. Unter Berufung auf die UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation (FAO) warnt die Welthungerhilfe, dass die nächste Generation von Heuschrecken die Existenzgrundlage von mehr als 39 Millionen Menschen in Äthiopien, Jemen, Somalia, Sudan und Kenia bedrohe.

Schädlinge drohen Millionen Menschen in «Abwärtsspirale» zu stürzen

In den vergangenen Monaten wurden demnach die Heuschrecken am Horn von Afrika auf 1,3 Millionen Hektar Land bereits bekämpft. Doch allein in Nord- und Zentralkenia seien bereits mehr als 15 Bezirke massiv von der zweiten Heuschreckenwelle betroffen, darunter auch viele neue Gebiete. Bereits vorher sei die Ernährungslage von rund 1,9 Millionen Menschen «prekär» gewesen, jetzt könne sie sich nochmals «dramatisch verschlechtern», warnte die Welthungerhilfe.

Durch die Heuschreckenplage verschärften sich überdies die Konflikte um Wasser und Land, erklärte der Landesdirektor der Welthungerhilfe in Kenia, Kelvin Shingles. Seine Organisation unterstütze die Betroffenen mit Bargeld, neuem Saatgut, landwirtschaftlicher Beratung und Trainings, um selbst durch den Einsatz umweltverträglicher Methoden die weitere Vermehrung der Heuschrecken besser zu kontrollieren.

Dienstag, 9. Februar 2021

Libanon: Hungern im Lockdown

In El Tanak riecht es nach Unrat, nach Elend, nach Armut. Die Behausung von Afat El Hag, Mutter von elf Kindern, besteht aus grob gemauerten Zementsteinen. Nasskalt zieht es durch die Wände. Das Dach: eine Plastikfolie. Wenn es regnet, sagt sie, steht alles im Wasser.

Die hygienischen Umstände in El Tanak, eine Katastrophe. Vielleicht 2.000 Menschen leben hier so wie Frau Afat. Ihre Heimat ist eines von vielen Armutsgebieten in der Hafenstadt Tripolis, der zweitgrößten Stadt des Libanon.

Dritter Lockdown trifft gesamte Bevölkerung im Libanon

Die Arbeitslosenquote liegt bei 50 Prozent, so offizielle Quellen. Wahrscheinlich ist sie deutlich höher, glaubt Frau Afat. Zwei Corona-bedingte Lockdowns im vergangenen Jahr hat Frau Afat überstanden. Gerade so, irgendwie. Wenn jemand Reserven hatte, sagt sie, dann sind diese längst aufgebraucht.

Zuerst haben nur die Armen gelitten. Nun aber trifft seit dem 7. Januar der dritte und härteste Lockdown alle Bewohner des Libanon. Wie lange dieser Zustand dauert, ist offen.

Corona macht Probleme im Land sichtbar

Es ist nicht die Pandemie allein, die Land und Leute wirtschaftlich an den Abgrund führt. Zuerst waren da Korruption, Vetternwirtschaft, Unvermögen und Machtmissbrauch politischer Eliten. Corona hat sichtbar gemacht, was zuvor lediglich verborgen war.

Der Libanon, einst als Schweiz des Nahen Osten gepriesen, ist Sinnbild beispiellosen wirtschaftlichen Absturzes. Die Landeswährung - früher an den US-Dollar gekoppelt - ist nahezu wertlos. Selbst einfache Lebensmittel sind inzwischen unerschwinglich teuer geworden.

UN: Hälfte der Menschen lebt in Armut

Laut den Vereinten Nationen vegetiert inzwischen die Hälfte aller Libanesen unterhalb der Armutsgrenze. Gefühlt sind es deutlich mehr. Früher, zu normalen Zeiten, wie Frau Afat sagt, lebten sie von der Hand in den Mund. Für Arme war das Überleben im Libanon schon immer beschwerlich.

Doch nun hätten Corona und der dritte Lockdown ihre Lebensumstände unerträglich gemacht.

Da sind die Miete, der Unterhalt für die Kinder. Der Lockdown hat uns von allen Einkünften abgeschnitten - keine Arbeit, nichts.
Afat El Hag, Libanesin

"Mein Mann ist nun zuhause, ohne Job. Wir warten, bis jemand vorbeikommt und Brot bringt, damit wenigstens die Kinder zu essen haben." Afat wartet an diesem Tag vergebens. Keine Hilfe - niemand kommt mit Brot. Sie fühlt sich vergessen von aller Welt.

"Es ist dieser Druck, dieser Armutsstress", erklärt sie, der verzweifeln lässt. Der krank macht, wenn das Leben nur noch aus Hoffnungslosigkeit bestehe. So wie Frau Afat geht es vielen anderen auch.

Tausende protestieren gewaltsam in Tripolis

Und es ist diese Frustration, die in den vergangenen Wochen Tausende meist junger Männer zu Protesten auf die Straße treibt. Die ihre Wut auslassen, an Sicherheitskräften. Die voll Zorn das Gebäude der Stadtverwaltung in Tripolis in Brand setzen, genauso wie Autos. Straßenschlachten toben in der Innenstadt - es sind Bilder wie aus einem Bürgerkrieg.

Nur mit der eiligen Verlegung zusätzlicher Einheiten der Armee, so ist zu hören, war die Lage in Tripolis wieder in den Griff zu bekommen. Niemand mag eine Prognose wagen, wie lange diese angespannte Ruhe nun anhält.

Kein Geld für Lebensmittel

Mohamed El Bay, Protestierender der ersten Stunde in Tripolis, erklärt die Dinge auf seine Weise:

Wir hatten eine Revolution, dann eine Hunger-Revolution und dann eine Wut-Revolution. Die Leute hier haben kein Geld, um sich zu ernähren.
Mohamed El Bay, Demonstrant

Es heißt, die Leute sollen wegen Corona zuhause bleiben. "Ich will das befolgen - aber macht mir das doch bitte auch möglich", sagt er. Wie könne man die Leute zuhause im Lockdown einsperren und sie dabei nicht mit Lebensmitteln versorgen, fragt Mohamed El Bay. "Erklär mir das? Das hier wird mich umbringen", schließt er.

Uli Gack ist Leiter des ZDF-Studios in Kairo. Dem Autor auf Twitter folgen: @UliGack